Eins vorweg: Mir ist in meinem Leben noch nie eine muskulöse Person begegnet, die nur 6 Minuten pro Woche trainiert.
Aber genau dies ist das Versprechen von Aurum.
Doch lass uns von vorne anfangen…
Das erste Mal habe ich von Aurum vor Monaten gehört.
Ich habe mir damals nichts weiter dabei gedacht.
Ich meine, sechs Minuten Training pro Woche soll dich in Form bringen?
C’mon…
Hört sich genauso vielversprechend an wie all die Anfragen, ob ich ein profitables Business mit zwei Stunden Aufwand pro Woche aufbauen möchte.
I call Bullsh!t.
Anyway, der Begriff “Aurum Training” ist dann wieder und wieder aufgekommen.
Mehrheitlich von Personen, die Aurum versucht haben, aber damit nicht ganz zufrieden waren (bzw. keinen Erfolg sahen).
Vor kurzem wurde ich dann via LinkedIn gefragt, ob ich an einer Affiliate von Aurum interessiert sei.
Aus diesen Gründen habe ich mich schliesslich dazu entschieden, Aurum etwas genauer zu analysieren und meine Meinung darüber zu teilen.
Eigentlich dachte ich ja, das wäre nicht notwendig, weil naja, für mich sieht das ziemlich stark nach einer Marketing-Masche aus.
Und dennoch scheint es sich irgendwie in der Schweiz durchgesetzt zu haben.
Um sicherzustellen, dass ich mit meiner Meinung nicht komplett daneben liege, habe ich meinen Kollegen und Personal Trainer aus Hawaii dazugezogen.
Ich habe ihn spezifisch gebeten, kurz die Website von Aurum zu prüfen und mir seine Meinung zu schildern..
Hier seine Antwort dazu:
Scheint, als wäre ich nicht der Einzige, der von der Idee “sechs Minuten Training pro Woche” nicht ganz so begeistert ist.
Aber sehen wir uns Aurum doch etwas genauer an:
Die Idee von Aurum Training
Das Aurum-Training verspricht maximalen Kraftgewinn mit nur 6 Minuten Training pro Woche. Mit einem computergesteuerten Gerät werden dabei die einzelnen Muskeln trainiert. Das Prinzip von Aurum-Training besteht darin, die Muskelkraft komplett auszuschöpfen, um somit das Muskelwachstum maximal anzuregen.
Übungsauswahl
Gemäss der Website werden im Aurum Training sechs Übungen absolviert:
- Beinpresse
- Bankdrücken
- Kreuzheben
- Rudern
- Schulterpresse
- Torso-Extension
Meine Meinung dazu?
Hervorragend! Gut gewählte Übungen für ein Ganzkörpertraining. Doch wo bleibt das Aufwärmen und das Stretching?
Technologie
Zugegebenermassen war ich persönlich noch nie in einem Aurum Trainingsstudio. Was ich aber auf den Fotos von der Website entnehmen kann, sehen die Studios modern und die Geräte stylisch aus. Das Training wird auf einem Monitor überwacht und liefert in Echtzeit Feedback.
Finde ich super!
Intensität
Das, was Aurum ausmacht: die Intensität! Bei Aurum geht es nicht darum, eine bestimmte Anzahl Sätze oder Wiederholungen zu machen, sondern ganz einfach bis ganz ans Limit zu gehen.
Macht durchaus Sinn! Auch im herkömmlichen Krafttraining gibt es Intensitätstechniken wie etwa Dropsets und Stripsets, wobei das gleiche Ergebnis erzielt werden soll: den Muskel maximal bis zum Muskelversagen zu belasten.
Volumen
Aurum behauptet, mit einem Training à sechs Minuten pro Woche gute Resultate zu erzielen.
Nun – da fängt es an.
Sechs Übungen und sechs Minuten – ich gehe mal davon aus, dass jeweils ein Satz pro Übung gemacht wird, daher 1 Minute pro Übung.
Ob das für den Muskelaufbau reicht? Wenn wir die aktuellen Studien zu Hypertrophie (sprich Muskelaufbau) anschauen, dann macht ein Volumen von mindestens 10 Sätzen pro Muskelpartie und Trainingswoche Sinn. Scheint hier bei Aurum definitiv nicht der Fall zu sein. Und wenn du jetzt denkst, dass Kraftsportler und Bodybuilder nicht intensiv trainieren und deswegen mehr Volumen brauchen. Nun, in diesem Fall darfst du gerne mal mit mir trainieren kommen. 😉
Frequenz
Aurum wird einmal pro Woche gemacht – damit habe ich wohl am meisten Mühe.
Der Muskel braucht in der Regel 24 bis 72 Stunden, um sich von der Belastung zu regenerieren. Wenn ein Anfänger super intensiv trainiert, kann es gerne mal zwei, drei Tage dauern, bis er wieder trainingsbereit ist. Dann besteht jedoch die Möglichkeit, den Muskel erneut zu belasten und einem neuen Reiz auszusetzen. Somit ist selbst bei Personen ohne Trainingserfahrung mindestens zwei Einheiten pro Woche angebracht – Aurum sieht aber nur eine Einheit vor. Bei Athleten und fortgeschrittenen Personen verringert sich die Erholungszeit, und mehr Einheiten pro Woche sind möglich (oder gar notwendig!).
By the way…
Was mir beim Durchlesen der Website in den Sinn kommt, ist das Training vom weltberühmten Bodybuilder Dorian Yates. Sein Programm basiert nämlich (genau wie bei Aurum) auf hochintensivem Training bis zum Muskelversagen. Mit dieser Methode konnte er gar den Mr. Olympia Titel im Bodybuilding holen. Mit dem grossen Unterschied, dass Dorian Yates vier Mal pro Woche trainiert hat und eine Trainingseinheit eine gute Stunde ging. Vier Stunden pro Woche sind meiner Meinung nach doch relativ weit weg von sechs Minuten. Und ach ja, Dorian Yates hat mit Eisen trainiert, nicht mit computergesteuerten Übungen.
Weshalb Aurum Training so gut funktionieren soll
Auf der Website von Aurum sind immer wieder von den 7 “P” zu lesen. Dabei handelt es sich um die Vorteile von Aurum.
Gehen wir doch die einzelnen Punkte gerne nacheinander durch, wobei ich gerne meine Gedanken dazu teile:
P1: Der Wachstumsreiz wird erreicht, wenn die Muskeln wirklich ermüdet werden
Korrekt. Wobei gesagt werden muss, dass dies nicht der einzige Weg ist, um Muskeln aufzubauen. Auch ohne komplettes Muskelversagen ist Muskelaufbau möglich.
P2: Muskelspannung halten ist sicherer als Gewichte heben
Das geführte Training an sich ist für Untrainierte sicherer als Hanteltraining, ja. Doch hat das Training mit Maschinen einen grossen Haken. Trainiert man nämlich mit Hanteln, werden gewisse Stabilisationsmuskeln trainiert. Diese sind zum Beispiel notwendig, um die Balance nicht zu verlieren und ein Gewicht oberhalb des Kopfes zu halten (etwa bei der Overhead Press). Wenn du diese Bewegungsabläufe nie machst und die Stabilisationsmuskeln vernachlässigt, kann sich dies im Alltag negativ auswirken. Eine alltägliche Situation, in welcher du eine Box von einem Gestell herunter nimmst oder dein Kind hochheben möchtest, ist möglicherweise nicht machbar bzw. höchst gefährlich – da du dies nie trainiert hast. Im Worst Case verletzt du dich dabei – was ist nun wirklich sicherer?
P3: Anspannungsdauer des Muskels, nicht die Zahl der Wiederholungen, ist entscheidend
Ja, im Krafttraining sprechen wir hier von ‘Time Under Tension’ bzw. TUT. Dies kann ganz einfach mit dem herkömmlichen Gewichtstraining simuliert werden, indem man etwa nicht die Wiederholungen zählt, sondern die Länge der Belastung (zB 30 Sekunden). Daher hier nicht wirklich ein Vorteil von Aurum gegenüber anderen Trainingsmethoden.
P4: Lieber langsam und kontrolliert als schnell und schwungvoll
Halt. Auch mit schnellen Wiederholungen ist Hypertrophie möglich. Wie von Aurum in P3 erwähnt, ist die Anspannungsdauer des Muskels relevant, nicht zwingend die Anzahl oder die Geschwindigkeit der Wiederholungen.
P5: Fitter werden wir in der Erholungszeit, nicht beim Trainig selbst
Korrekt: Im Training wird der Stimulus gesetzt – anschliessend wächst der Muskel während der Regeneration. Ob nun ganze sieben Tage Regeneration erfordert wird? Nein. Wenn überhaupt, dann nur bei komplett Untrainierten. Und selbst bei denen wage ich zu behaupten, dass diese schneller wieder leistungsfähig wären. Weshalb daher ganze sieben Tage warten, wenn der Muskel schon vorher wieder ready ist? Wäre doch schade, nicht das ganze Potenzial auszuschöpfen.
P6: Je kürzer die Pause zwischen den Übungen, desto höher der kardiopulmonale Effekt
Korrekt. Bei herkömmlichem Krafttraining kann man jedoch auch die Ruhezeiten verkürzen, nicht?
P7: Echtzeitvisualisierung der Muskel Daten nutzt die neuromuskuläre Verbindung
Klingt cool – bin aber nicht sicher, was damit gemeint ist. Echtzeit Visualisierungen gibt es in der Zwischenzeit bei vielen Maschinenherstellern. Eigentlich nichts Neues. Und wie viel das dem Trainierenden wirklich bringt, lassen wir mal so im Raum stehen.
Ist Aurum Training wirklich so gut, wie es verspricht? Mein Fazit
Wenn du früher sportlich nicht aktiv warst oder kein Krafttraining betrieben hast und nun wegen Aurum Training regelmässig trainierst, dann hervorragend!
Gerade wenn du ein Anfänger bist und noch keine Erfahrungen mit Krafttraining hast, wirst du womöglich erste Resultate mit Aurum sehen.
Und was Aurum wohl ganz gut macht: das Marketing!
Aurum verkauft nämlich den Traum: einen durchtrainierten Körper mit gerade mal sechs Minuten Training pro Woche.
Kein stundenlanges Training – sondern ganze s e c h s Minuten!
(Verzweifelte) Leute glauben das. Sie wollen das. Und sie werden es kaufen.
Aber ob es den Hype rechtfertigt? Meiner Meinung nach nicht.
Schliesslich kann intensives Training mit kurzen Ruhezeiten zwischen den Übungen auch ganz einfach mit Freihanteln gemacht werden. Gratis.
Oder man greift auf ein bewährtes Trainingsprogramm zurück, mit genügend Volumen und angemessener Frequenz.
Ich weiss, ich weiss… Drei Stunden pro Woche klingt nicht gleich sexy wie sechs Minuten. Aber es hat sich bewährt und funktioniert.
Zudem: Bei Aurum schaffst du eine gewisse Abhängigkeit vom Trainingscenter. Was passiert, wenn du mal wegziehst? Fitnesscenter gibt es im Jahr 2023 auf der ganzen Welt – Aurum hingegen nicht.
Nun: meine abschliessenden Gedanken und mein finales Fazit:
1. Solange Aurum Leute dazu animiert, Resistenz Training zu machen und aktiver zu sein, ausgezeichnet!
2. Ob es die Kosten rechtfertigt und ob man sich wirklich davon abhängig machen möchte, ist fragwürdig. Aber das muss jeder für sich entscheiden…
3. Ob Aurum das Richtige für dich ist? I doubt it. Denn egal ob du erst gerade anfängst oder schon fast ein Profi-Sportler bist: nichts geht über herkömmliches Gewichtstraining.
4. Keine Zeit für stundenlange Workouts im Gym? Trainiere Zuhause. Führe tägliche Mini-Workouts durch. Und wenn du nicht genau weisst, wo du anfangen sollst, melde dich bei mir. 🙂
Und finally…:
Ein durchtrainierter Körper mit 6 Minuten Training pro Woche?
Vergiss das!
Mit traditionellem Krafttraining und regelmässigen Workouts wirst du mit Sicherheit bessere Resultate erzielen.